
Hast du dich je gefragt, warum manche Menschen selbst im tiefsten Winter energiegeladen sind, während andere trotz Nahrungsergänzung und Sonnenlicht mit Erschöpfung kämpfen? Die Antwort liegt tiefer als du denkst – in deinem genetischen Code.
In den langen, dunklen Wintern Skandinaviens scheint die Sonne manchmal wochenlang kaum über den Horizont. Und selbst wenn sie scheint, ist der Sonnenwinkel so flach, dass die UVB-Strahlung kaum bis zur Erdoberfläche durchdringt – jene Strahlung, die unsere Haut zur Vitamin-D-Produktion benötigt. Dazu kommt, dass es in diesen nördlichen Gefilden oft so kalt ist, dass die Menschen sich von Kopf bis Fuß einmummen, wodurch kaum Haut mit dem spärlichen Sonnenlicht in Berührung kommt.
Unter diesen Bedingungen müssten die skandinavischen Länder eigentlich Hochburgen des Vitamin-D-Mangels sein. Doch die Wikinger-Nachfahren zeigen eine erstaunliche Widerstandsfähigkeit gegen die "Sonnenhormon-Krise". Ihr Geheimnis? Eine faszinierende Kombination aus genetischen Anpassungen und traditioneller Weisheit – verkörpert im berüchtigten Lebertran, den skandinavische Kinder seit Generationen mit verzogenem Gesicht schlucken.
Ich selbst habe diese genetische Lotterie leider verloren. Trotz meiner nordeuropäischen Wurzeln verfüge ich über einen erstaunlich ineffizienten Vitamin-D-Stoffwechsel: Gleich fünf Gene (CYP2R1, CYP27B1, DHCR7, GC und VDR) tragen homozygote Varianten, die meinen Vitamin-D-Haushalt deutlich verschlechtern. Dazu kommt noch CYP24A1 mit einer heterozygoten Varianten.
Was bedeutet das im Alltag? Ich brauche täglich 5.000 IE Vitamin D, um einen halbwegs gesunden Blutwert zu halten – besonders wegen meiner chronischen Entzündungen, die zusätzlich an meinen Vitamin-D-Reserven zehren. Ohne diese hohe Dosierung sinkt mein Energieniveau dramatisch, und meine Entzündungswerte steigen.
Diese persönliche Erfahrung hat mich auf eine faszinierende Forschungsreise geführt: Wie haben es die Skandinavier geschafft, trotz widrigster Lichtbedingungen zu überleben und zu gedeihen? Was können wir von dieser jahrtausendealten Erfolgsgeschichte der menschlichen Anpassungsfähigkeit lernen?
Für unsere Vorfahren war die Sicherstellung einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung eine existenzielle Herausforderung, besonders als sie vor etwa 35.000 Jahren begannen, nach Norden zu wandern. Vitamin D ist nicht einfach nur ein Vitamin – es ist ein Prohormon mit weitreichenden Funktionen:
- Knochenstoffwechsel: Reguliert die Calcium- und Phosphathomöostase für gesunde Knochen und Zähne – lebenswichtig besonders für Kinder und Schwangere
- Immunmodulation: Stärkt das Immunsystem und hilft bei der Abwehr von Infektionen – in den kalten nordischen Wintern überlebenswichtig
- Entzündungshemmung: Reduziert chronische Entzündungsprozesse und schützt vor Autoimmunerkrankungen
- Genregulation: Beeinflusst die Expression von bis zu 3000 Genen im menschlichen Genom – etwa 3% unseres gesamten genetischen Codes!
- Muskelkraft: Fördert die Muskelkraft und -funktion – entscheidend für Jäger und Sammler in rauen Umgebungen
- Nervensystem: Unterstützt neuronale Funktionen und kognitive Gesundheit
- Herz-Kreislauf-System: Reguliert Blutdruck und schützt Gefäßfunktionen
- Zellwachstum: Kontrolliert Zellproliferation und hemmt krebsfördernde Prozesse
Als unsere Vorfahren aus den sonnendurchfluteten Gebieten Afrikas nach Norden zogen, standen sie vor einem evolutionären Dilemma: Die dunkle Haut, die sie vor der intensiven Sonnenstrahlung geschützt hatte, wurde nun zum Hindernis für die lebenswichtige Vitamin-D-Synthese.
Die Evolution bot zwei Lösungswege: genetische Anpassung und kulturelle Innovation. In Skandinavien können wir beobachten, wie beide Wege perfekt zusammenspielten und ein Überlebenssystem schufen, das bis heute funktioniert – auch wenn wir die Mechanismen erst jetzt vollständig zu verstehen beginnen.
Die Evolution hat im Laufe der Jahrtausende mehrere genetische Stellschrauben optimiert, um den Vitamin-D-Stoffwechsel an die lichtarmen nordischen Bedingungen anzupassen. Fünf Gene spielen dabei eine besonders wichtige Rolle und die moderne Forschung hat konkrete Polymorphismen identifiziert, die diese Anpassung belegen:
🌞 DHCR7 – Der Sonnenlicht-Schalter
Dieses Gen kodiert für ein Enzym, das wie ein Weichensteller an einer Bahnkreuzung funktioniert: Es entscheidet, ob aus dem Ausgangsstoff 7-Dehydrocholesterol in der Haut Cholesterin oder Vitamin D produziert wird.
Studien haben gezeigt, dass die Variante rs12785878 in nordeuropäischen Populationen häufiger vorkommt. Diese genetische Anpassung scheint den Umwandlungsprozess so zu beeinflussen, dass mehr 7-Dehydrocholesterol für die Vitamin-D-Synthese zur Verfügung steht – eine brillante evolutionäre Antwort auf die UV-arme Umgebung. Menschen mit dieser Variante können selbst bei geringer Sonnenexposition effizientere Vitamin-D-Produzenten sein.
🔑 CYP2R1 – Der erste Aktivator
Dieses Gen kodiert für das Enzym 25-Hydroxylase, das den ersten Schritt der Vitamin-D-Aktivierung in der Leber durchführt.
Interessanterweise zeigen nordeuropäische Populationen eine höhere Frequenz bestimmter Varianten, die möglicherweise die Umwandlung von Vitamin D zu 25(OH)D unter widrigen Lichtbedingungen verbessern. Diese genetische Anpassung könnte dafür sorgen, dass selbst bei geringerer Vitamin-D-Produktion in der Haut der Aktivierungsprozess optimiert wird.
⚡ CYP27B1 – Der Hauptaktivator
Dieses Gen kodiert für die 1-alpha-Hydroxylase, die den entscheidenden zweiten Aktivierungsschritt durchführt. Sie verwandelt das gespeicherte 25(OH)D in das aktive Hormon 1,25(OH)2D.
Obwohl dieses Gen bisher weniger intensiv untersucht wurde als andere, deuten erste Forschungsergebnisse darauf hin, dass auch hier Anpassungen stattgefunden haben könnten, die den Aktivierungsprozess in Regionen mit geringerer Sonnenexposition optimieren.
🚚 GC – Der Transporteur
Dieses Gen kodiert für das Vitamin-D-Bindungsprotein, das als Transportvehikel für Vitamin D im Blut dient. Seine genetischen Varianten beeinflussen die Affinität und den Transport des Vitamins im Blut.
Einige Varianten, die in nordeuropäischen Populationen häufiger vorkommen, könnten eine optimierte Bindung und Freisetzung des Vitamins ermöglichen – ein weiteres Puzzleteil in der evolutionären Anpassung an vitamin-D-arme Umgebungen.
📡 VDR – Der Empfänger
Der Vitamin-D-Rezeptor funktioniert wie eine Antenne, die die Signale des aktiven Vitamins empfängt und in zelluläre Anweisungen übersetzt.
Verschiedene VDR-Polymorphismen wurden intensiv untersucht. Studien haben gezeigt, dass in nordeuropäischen Gruppen bestimmte Varianten häufiger auftreten. Diese könnten eine höhere Empfindlichkeit des Rezeptors bewirken – Menschen mit diesen Varianten brauchen also möglicherweise weniger des aktiven Hormons für die gleiche biologische Wirkung. Eine elegante Lösung, wenn die Ressource knapp ist.
🗑️ CYP24A1 – Der Abbauregulator
Ein oft übersehenes, aber kritisches Gen: Es kodiert für ein Enzym, das aktives Vitamin D abbaut und recycelt.
Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass bestimmte Varianten zu einem langsameren Abbau führen können – was in sonnenarmen Regionen vorteilhaft wäre, da das kostbare Vitamin D länger im Körper verbleibt. Die Balance zwischen Aktivierung (durch CYP27B1) und Abbau (durch CYP24A1) ist entscheidend für die Aufrechterhaltung optimaler Vitamin-D-Spiegel.
Insgesamt weisen diese Forschungsergebnisse darauf hin, dass evolutionäre Selektion in nordeuropäischen Regionen mit begrenzter UVB-Exposition dazu geführt haben könnte, dass Genvarianten, die den Erhalt eines adäquaten Vitamin-D-Spiegels unterstützen, vermehrt auftreten. Es ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie der menschliche Körper sich über Generationen hinweg an widrige Umweltbedingungen anpassen kann.
Diese genetischen Variationen erklären, warum Menschen so unterschiedlich auf die gleiche Sonnenexposition oder Vitamin-D-Supplementierung reagieren können:
Maria und Sophie verbringen den gleichen sonnigen Tag am Strand. Maria bildet dank ihrer DHCR7-Variante doppelt so viel Vitamin D in der Haut wie Sophie. Während Maria mit einem kurzen Sonnenbad auskommt, müsste Sophie deutlich länger in der Sonne bleiben – was wiederum ihr Hautkrebsrisiko erhöhen würde.
Steffi nimmt täglich 1000 IE Vitamin D ein, doch sein Blutspiegel steigt kaum an. Ihre Freundin Janina erreicht mit der gleichen Dosis optimale Werte. Der Unterschied? Steffi hat eine GC-Genvariante, die das Vitamin stärker bindet und weniger für die Zellen verfügbar lässt.
Mein eigener Fall zeigt, wie mehrere ungünstige Genvarianten zusammenwirken können: Mit Varianten in allen wichtigen Vitamin-D-Genen brauche ich die fünffache Standarddosis (5.000 IE täglich), um gesunde Blutwerte zu erreichen. Ohne dieses Wissen hatte ich jahrelang mit ständiger Müdigkeit und verstärkten Entzündungen gekämpft.
Solche Unterschiede können erklären, warum manche Menschen:
- Trotz regelmäßiger Sonnenexposition einen Vitamin-D-Mangel entwickeln
- Auf Standarddosierungen nicht ansprechen
- Saisonale Stimmungsschwankungen stärker erleben
- Unterschiedliche Anfälligkeit für Erkrankungen zeigen, die mit Vitamin-D-Mangel assoziiert sind
Genetische Tests können heute diese individuellen Unterschiede aufdecken und helfen, personalisierte Strategien zu entwickeln – ein moderner wissenschaftlicher Ansatz, der die intuitive Weisheit unserer Vorfahren bestätigt.
Während die Evolution ihre langsame genetische Anpassung vollzog, entwickelten die Skandinavier parallel eine kulturelle Lösung: Lebertran, das flüssige Gold des Nordens. Diese traditionelle Praxis ist die erprobte Antwort auf ein biologisches Problem, lange bevor die Wissenschaft Vitamin D entdeckte.
Die Geschichte des Lebertrans reicht bis zu den Wikingern zurück. Diese Seefahrer beobachteten die heilende Wirkung dieses Öls bei Krankheiten, die wir heute als Rachitis und andere Vitamin-D-Mangelerscheinungen identifizieren würden.
Ein Esslöffel traditioneller Lebertran enthält etwa 1.200 IE Vitamin D. Diese konzentrierte Dosis half den nordischen Völkern, die monatelange Abwesenheit der UVB-Strahlung zu kompensieren und gleichzeitig ihr Immunsystem in der kalten Jahreszeit ordentlich zu stärken.
So tief verankert ist diese Tradition in der nordischen Kultur, dass sie sogar Eingang in die Literatur gefunden hat – von Astrid Lindgrens "Karlsson vom Dach", der den Lebertran hasst, bis zu Henrik Ibsens Erwähnungen in seinen gesellschaftskritischen Dramen als Symbol für die strenge nordische Kindererziehung.
Neben Lebertran entwickelten die nordischen Kulturen weitere Vitamin-D-reiche Traditionen:
-Fettreiche Fische wie Hering und Makrele dienten als als Grundnahrungsmittel
-Fermentierter Fisch wie der schwedische Surströmming oder der norwegische Rakfisk
-Getrockneter Fisch (Stockfisch), der monatelang haltbar war
Diese Ernährungstraditionen, kombiniert mit genetischen Anpassungen, schufen ein Gleichgewicht, das das Überleben in den lichtarmen nordischen Regionen ermöglichte.
Die Erkenntnisse aus der skandinavischen Vitamin-D-Geschichte lassen sich in praktische Strategien für unseren modernen Alltag übersetzen:
Für Menschen mit effizienten Vitamin-D-Genvarianten:
- Moderatere Supplementierung kann ausreichen (typischerweise 800-1000 IE täglich)
- Fokus auf regelmäßige, kleine Dosen vitamin-D-reicher Nahrungsmittel
- Gezielte Sonnenexposition in den Übergangsmonaten (März/April und September/Oktober)
Für Menschen mit genetisch bedingtem Vitamin-D-Mangel (wie mich):
- Höhere Supplementierungsdosen in Absprache mit Fachpersonen (typischerweise 2000-4000 IE täglich im Winter)
- Bewusstere Planung der Sonnenexposition im Sommer
- Regelmäßige Überprüfung des Vitamin-D-Spiegels, besonders zu Beginn des Winters
Moderne Alternativen zum traditionellen Lebertran:
- Hochwertige Omega-3-Präparate mit Vitamin-D-Zusatz oder reine Supplemente mit allen fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K)
- Vegane Optionen: UV-exponierte Pilze als natürliche pflanzliche Quelle
- Angereicherte Lebensmittel als alltägliche Ergänzung
Kurzer Brückenschlag zum Fasten: Synergien mit dem Vitamin-D-Stoffwechsel
Interessanterweise kann Fasten die Wirksamkeit von Vitamin D verstärken. Während Fastenperioden werden Fettspeicher mobilisiert, was auch dort gespeichertes Vitamin D freisetzt. Zudem erhöht Fasten die Sensitivität der Vitamin-D-Rezeptoren – so wurden in Hungerperioden vom Körper klug Ressourcen optimiert, um die Gesundheit möglichst lange zu erhalten.
In meiner eigenen Praxis habe ich beobachtet, dass regelmäßige Fastenperioden, kombiniert mit einer angepassten Vitamin-D-Supplementierung, besonders effektiv zur Regulierung meiner Entzündungswerte beitragen. Diese Kombination aus uralter Tradition und modernem Wissen kann wahre Wunder wirken.
Das skandinavische Vitamin-D-Paradox zeigt eindrucksvoll, wie Evolution und kulturelle Anpassung Hand in Hand gehen können. Unsere Vorfahren fanden praktische Lösungen für biologische Herausforderungen, lange bevor die Wissenschaft die zugrundeliegenden Mechanismen verstand.
Heute haben wir das Privileg, sowohl die evolutionäre Weisheit als auch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen zu können. Wir können unsere genetische Ausstattung verstehen und entsprechend handeln – sei es durch angepasste Ernährung, gezielte Supplementierung oder bewussten Umgang mit Sonnenlicht.
Die Geschichte von Skandinavien, Lebertran und den Vitamin-D-Genen lehrt uns letztlich eine wichtige Lektion: Es gibt nicht die eine richtige Vitamin-D-Strategie für alle Menschen. Aber es gibt für jeden Menschen die richtige individuelle Strategie – wenn wir bereit sind, auf die Weisheit unserer Gene und die Erfahrung unserer Vorfahren zu hören.
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