Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was vor dem milden Strahl der Sonne fällt.
Herbstbild von Friedrich Hebbel
Der Herbst ist eine Zeit des Wandels und der Transformation. Im Jahreskreis markieren drei bedeutsame Feste diese besondere Zeit: Lughnasad, Mabon und Samhain. Jedes dieser Feste trägt seine eigene Energie und Bedeutung, während sich die Natur langsam von der Fülle des Sommers verabschiedet und auf die Stille des Winters vorbereitet. Die grundlegenden Aspekte dieser Feste habe ich bereits in meinem Artikel "Im Rhythmus des Jahreskreises: Feste und Fasten" beschrieben. Heute widme ich mich der besonderen Energie, die den Herbst durchzieht und wie sich diese im Laufe der drei Herbstfeste wandelt.
Der Herbst spricht zu uns in vielen Stimmen. Es beginnt mit dem sanften Rascheln der ersten goldenen Blätter Anfang August, wenn die Natur noch in voller Kraft steht, aber bereits die ersten Zeichen der Veränderung zeigt. Die Beeren leuchten an den Sträuchern, die Äpfel werden schwer an den Zweigen, und das Getreide wogt golden im Wind.
Mit dem September kommt die Zeit der perfekten Balance – die Tage werden merklich kürzer, doch die Sonne wärmt noch kraftvoll. Die Wälder beginnen ihr Farbspiel aus Gold, Rot und Orange. Morgennebel hüllt die Felder ein, während Spinnennetze mit Tautropfen besetzt wie Juwelen im Sonnenlicht glitzern. Die Natur bereitet sich auf den großen Wandel vor.
Bis Ende Oktober hat sich das Blätterdach gelichtet, die Nebel werden dichter, und die Dunkelheit gewinnt die Oberhand. Die Bäume stehen zunehmend kahl, die letzten Früchte fallen zu Boden, und die Tiere bereiten sich auf den Winter vor. Die Erde zieht ihre Energie nach innen, und auch wir Menschen spüren diesen Ruf zur Einkehr.
Diese natürlichen Veränderungen in der Landschaft spiegeln sich auch in der energetischen Qualität der drei Herbstfeste wider. Während die Natur ihre äußere Pracht allmählich zurücknimmt und ihre Kraft nach innen verlagert, vollzieht sich eine ähnliche Bewegung in unserem Erleben der Jahreskreisfeste. Was im August noch als ausgelassenes Erntefest begann, verwandelt sich über die Wochen in eine zunehmend introspektive Erfahrung. Denn betrachtet man die drei Herbstfeste im Zusammenhang, zeigt sich eine klare Entwicklung der Energie: Sie wandert von außen nach innen, von der Gemeinschaft zum Individuum, von der materiellen Ernte zur geistigen Reflexion.
Lughnasad steht für die nach außen gerichtete Energie. Es ist ein Fest der Gemeinschaft, des Teilens und der gemeinsamen Freude über die ersten Früchte. Die Dankbarkeit bezieht sich primär auf den materiellen Überfluss und die Gaben der Natur.
Persönliche Anekdote:
Als jemand, der nicht gerne backt, habe ich lange gebraucht, um mit diesem Fest so richtig warm zu werden, weil es für mich in erster Linie immer etwas mit Getreide zu tun hatte. Bis mir dann dieses Jahr tatsächlich klar geworden ist, dass es ja auch die Zeit der Beeren ist und der Fruchternte. Und das ist etwas, mit dem ich eine tiefe Verbindung habe. Meine Großeltern haben einen riesigen Garten mit ganz vielen verschiedenen Beeren und Früchten. Ich habe so viele schöne Erinnerungen an diese Erntezeit – sei es der Waldspaziergang zum Heidelbeeren sammeln oder so viele Kirschen während des Entsteinens essen, bis mir schlecht wurde. Da sind so viele schöne Erinnerungen, die wirklich diesen Überfluss auch in mir ganz stark verankert haben. Ich durfte nur erst für mich den Zusammenhang entdecken.
Mabon bildet eine Brücke zwischen den Welten. Die Balance von Tag und Nacht spiegelt sich in einem ausgewogenen Verhältnis von äußerer Aktivität und innerer Einkehr wider. Die Dankbarkeit wird reflektierter und richtet sich nun auch auf die Vorratshaltung – sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne.
Persönliche Anekdote:
Kastanien sind für mich ein Symbol für Mabon. In meiner Zeit in Greifswald, als meine Kinder noch sehr klein waren, haben wir im Herbst mit Begeisterung Kastanien gesammelt. Diese wunderschönen, glänzenden braunen Früchte, die aus ihren stacheligen Hüllen hervorlugen, übten auf meine Kinder eine magische Faszination aus. Greifswald hat in der Innenstadt eine prachtvolle Kastanienallee, und wir sammelten so viele, dass ich am Ende nicht mehr wusste, wohin damit. Schließlich haben wir sie dem Kindergarten geschenkt, wo sie in den Krippengruppen mit den ganz kleinen Kindern ein "Kastanienbad" veranstaltet haben. Die Kinder durften sich einfach hineinsetzen und die glatte, kühle Oberfläche der Kastanien spüren – und sie haben an diesen Tagen alle gestrahlt.
Samhain verkörpert die vollständig nach innen gerichtete Energie. Hier geht es um tiefe Introspektion, um die Verbindung zu unseren Wurzeln und um das bewusste Loslassen. Die Dankbarkeit umfasst nun auch das, was wir verloren haben, und erkennt den Wert dieser Erfahrungen an.
Persönliche Anekdote:
Ich liebe die innengekehrte Energie von Samhain. Es war schon immer mein Lieblingsherbstfest – weniger wegen Halloween und dem Verkleiden, sondern weil ich einfach die dunkle Jahreszeit liebe. In meiner Familie werden die Menschen zum Glück meistens an die 90 Jahre alt, sodass ich viele lebende Vorfahren besitze. Trotzdem nutze ich diese Zeit ganz bewusst, um mit meinen Kindern gemeinsam Geschichten zu erzählen und Erinnerungen damit am Leben zu erhalten. Es ist eine Zeit, in der die Grenzen zwischen den Generationen zu verschwimmen scheinen und wir uns als Teil einer größeren Geschichte erfahren können.
In unserer hektischen, modernen Welt bieten die alten Jahreskreisfeste wertvolle Anker im Jahresverlauf. Sie erinnern uns daran, im Einklang mit den natürlichen Rhythmen zu leben und die verschiedenen Qualitäten der Jahreszeiten bewusst zu erleben.
Die Herbstfeste laden dich ein:
- Zu ernten, was du gesät hast – im wörtlichen Sinne in deinem Garten, aber auch im übertragenen Sinne in deinem Leben.
- Dankbarkeit zu kultivieren für die Fülle in deinem Leben, sei sie materieller oder immaterieller Natur.
- Loszulassen, was nicht mehr dienlich ist, um Raum für Neues zu schaffen.
- Nach innen zu gehen und die dunklere Jahreszeit für Reflexion und Regeneration zu nutzen.
Um die Energie der Herbstfeste in deinen Alltag zu integrieren, kannst du einfache Rituale etablieren:
Für Lughnasad:
- Backe ein Brot und teile es mit Freunden oder Familie
- Erstelle eine Liste von Dingen, für die du dankbar bist
- Sammle Früchte oder Kräuter aus deinem Garten oder von einem Spaziergang
Für Mabon:
- Gestalte einen Erntealtar zuhause oder ein Mandala in Wald und Wiese mit Symbolen des Herbstes
- Reflektiere über die Balance in deinem Leben
- Konserviere von Lebensmitteln (Einkochen, Fermentieren, Trocknen)
Für Samhain:
- Zünde eine Kerze für deine Ahnen an und gedenke ihrer
- Schreibe auf, was du aus dem vergangenen Jahr loslassen möchtest
- Sortiere aus, was nicht mehr haltbar oder nützlich ist - sowohl in der Vorratskammer als auch im Rest deines Lebens
Die drei Herbstfeste bilden einen natürlichen Rhythmus, der uns durch die Zeit des Wandels führt. Von der Freude über die erste Ernte über die Balance der Tag-und-Nacht-Gleiche bis hin zur tiefen Introspektion des Jahresendes – jedes Fest hat seine eigene Qualität und Bedeutung.
Indem du dich auf diesen Rhythmus einlässt, kannst du lernen, die Übergänge im Jahr und deinem Leben bewusster zu gestalten und die verschiedenen Energien des Herbstes für deine persönliche Entwicklung zu nutzen. So wird der Herbst nicht nur zu einer Zeit des Abschieds vom Sommer, sondern zu einer wertvollen Phase der Transformation und des inneren Wachstums. "So können wir, wie Hebbel es in seinem Gedicht beschreibt, die 'Feier der Natur' nicht nur beobachten, sondern aktiv an ihr teilnehmen und sie in unser eigenes Leben integrieren.
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